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Ihr Aufstieg ist eng mit seiner Person verbunden: Italiens Regierungschefin Giorgia Meloni (rechts) mit Silvio Berlusconi an einer gemeinsamen Wahlveranstaltung 2022.
Quelle: Gregorio Borgia / AP
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Nach Berlusconis Tod

Berlusconi hat Meloni erst möglich gemacht – was sich in der italienischen Politik jetzt ändert

Mit dem politischen Aufstieg Silvio Berlusconis ist aus dem bürgerlichen Italien ein Land ohne bürgerliche Partei geworden. Nur dadurch wurde es überhaupt möglich, dass eine postfaschistische Politikerin Regierungschefin werden konnte.

CH Media
Publiziert: 12.06.2023, 18:10 Uhr

Der Tod von Silvio Berlusconi bedeutet für die Politik des Landes eine gewaltige Zäsur - und es ist möglich, dass Italien nun zumindest mittelfristig wieder zur Normalität zurückfinden wird. Zu dieser Normalität würde in erster Linie gehören, dass die moderaten katholisch-konservativen Wählerinnen und Wähler, die in Italien eine klare Mehrheit stellen, endlich wieder eine politische Heimat finden.

Fünf Jahrzehnte lang war diese Heimat die Democrazia Cristiana (DC) gewesen, die 1992 zusammen mit den Craxi-Sozialisten im Korruptionssumpf untergegangen war. Der Untergang der DC bedeutete zugleich das Ende der ersten Republik: Es folgte eine Verfassungs- und Wahlrechtsänderung.

Der Wechsel vom proportionalen Wahlrecht zum Majorz-System ermöglichte es Berlusconi, das politische Vakuum zu füllen: Er verbündete sich mit der fremdenfeindlichen Lega Nord von Umberto Bossi und den Postfaschisten von Gianfranco Fini und gewann 1994 erstmals die Wahlen – die zweite Republik war eingeläutet.

Seit drei Jahrzehnten ohne bürgerliche Partei

Abgesehen von einer kleinen christdemokratischen Splitterpartei, die bei jeder Wahl ihren Namen ändert und sich immer mit Berlusconi verbündete, existiert in Italien seit fast dreissig Jahren keine bürgerliche Partei mehr, die diesen Namen verdient. Es hat zwar mehrere Versuche von liberalen Politikern gegeben, eine moderate, nicht populistische Alternative zu Berlusconis Forza Italia zu etablieren – doch die entsprechenden Versuche hat Berlusconi jeweils mit seiner Medienmacht im Keim erstickt.

Wer in Italien nicht linke Parteien oder die Fünf-Sterne-Protestbewegung wählen will, hat deshalb nur die Wahl zwischen der Forza Italia des Erzpopulisten Berlusconi, der Lega von Bossi-Nachfolger Matteo Salvini und den postfaschistischen Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni, die 2012 die Alleanza Nazionale von Fini abgelöst hatten.

Eine bürgerlich-konservative Volkspartei wie Die Mitte in der Schweiz oder die CDU in Deutschland sucht man in Italien vergeblich. Auch wirtschaftsliberale Parteien wie die FDP gibt es nicht. Und das blieb nicht ohne Folgen, denn das politische Bollwerk gegen rechtsextreme Parteien und Gruppierungen sind in der Regel nicht die linken Parteien, sondern die moderaten bürgerlichen Parteien. So hat Berlusconi Giorgia Meloni letztlich den Weg geebnet.

Das Ende von Berlusconis Partei

Der Tod Berlusconis ist für Italien eine Chance, die bisherige «Anomalie» zu beenden und das politische Angebot um eine moderate bürgerliche Partei zu erweitern. Eines ist gewiss: «Der Tod Berlusconis bedeutet das Ende von Forza Italia», sagte am Montag der frühere Forza-Italia-Statthalter in Sizilien und ehemalige Vizeminister Gianfranco Miccichè.

Viele bisherige Amtsträger werden nun wohl bei den Fratelli d’Italia von Giorgia Meloni Unterschlupf suchen, einige norditalienische Forza-Italia-Mitglieder werden bei Salvinis Lega anklopfen.

Aber es gibt innerhalb der Forza Italia auch gemässigte und erfahrene Politiker, denen sowohl die Fratelli d’Italia als auch die Lega zu extremistisch sein könnten, beispielsweise Aussenminister Antonio Tajani. Vielleicht schafft es die gemässigte Fraktion, eine neue Partei aus der Taufe zu heben. Für das bürgerliche Italien wäre es ein grosser Gewinn.

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